(NGZ)
In 16 Jahren soll in Deutschland Schluss sein mit der Verbrennung von Braunkohle zur Stromerzeugung, dann soll auch der Betrieb im Tagebau Garzweiler eingestellt werden. In Hambach werden die Schaufelradbagger bereits in acht Jahren stillstehen. Das zwingt RWE, beim Jahrhundert-Projekt „Rheinwasser-Transportleitung“ Tempo zu machen: Künftig sollen dem Rhein pro Jahr bis zu 420 Millionen Kubikmeter Wasser entnommen werden, mit dem die Tagebau-Seen in Garzweiler und Hambach verfüllt werden.
Details zum Projekt haben Hendrik Stemann und Jiri Hlavka von RWE am Donnerstag den Grevenbroicher Planungspolitikern vorgestellt. Die Schlossstadt spielt bei dem Mammutprojekt eine wichtige Rolle, denn südlich von Allrath sollen die Wassermassen „aufgesplittet“ werden. Über ein Verteilbauwerk im Bereich Allrather Straße/Nordsüd-Kohlebahn wird das Wasser aus drei gewaltigen Röhren auf Garzweiler und Hambach aufgeteilt. Bereits in drei Jahren sollen die Bauarbeiten beginnen.
Geplant ist Folgendes: Drei Röhren mit einem Durchmesser von je 2,2 Metern sollen auf einer Länge von 22,4 Kilometern vom Rhein bei Dormagen unterirdisch bis nach Allrath verlegt werden. Zwei der Pipelines werden von dort aus auf einer Länge von 18,4 Kilometern weitergeführt bis nach Hambach. 40 bis 60 Jahre soll es dauern, bis so viel Wasser in die Kohlegrube gepumpt wurde, dass daraus ein See geworden ist. Zwei weitere Leitungen mit einem Durchmesser von je 1,4 Metern sollen von Allrath aus die letzten 4,2 Kilometer über Frimmersdorf zum Tagebau Garzweiler geführt werden. Mit dem Wasser sollen zunächst die Feuchtgebiete in der Region Schwalm-Nette versorgt werden, nach 2038 soll auch hier aus dem Tagebau-Restloch ein See werden. Die Befülldauer: 40 Jahre.
Insgesamt werden rund 45 Kilometer Stahlröhren in der Region verlegt – zumeist in offener Bauweise. Dafür wird ein Bau-Streifen von 70 Metern Breite benötigt. Betroffen sind überwiegend Ackerflächen, RWE hat hier bereits Kontakt mit Eigentümern aufgenommen, die für die Nutzung der Flächen entschädigt werden sollen – nach einer Formel mit etwa 3,10 Euro pro Quadratmeter. Im Schnitt sollen die Röhren in einer Tiefe von 1,25 Metern verlegt werden. Bei der Querung wichtiger Infrastrukturbauwerke – dazu zählt die Autobahn 57 – soll ein Pressverfahren zum Einsatz kommen: Hier werden die Röhren unter dem Hindernis durchgeschoben.
Bei den stählernen Pipelines handelt es sich um die größten, die man „von der Stange“ kaufen kann. „Bei einem noch größeren Durchmesser würde es schnell logistische Probleme geben, beispielsweise beim Transport auf der Straße“, sagte Jiri Hlavka, der die Eckdaten im Ausschuss vorstellte. Die Kosten für das Projekt werden auf einen höheren dreistelligen Millionenbetrag beziffert. Bis zur geplanten Fertigstellung Ende 2029 bleibt – gemessen an der Dimension dieses Projekts – wenig Zeit. Hlavka erklärte aber, dass man gut im Zeitplan liege.
Im Ausschuss wollte Renate Steiner von den Grünen wissen, ob sich das Rheinwasser qualitativ überhaupt zur Anlage von Seen eignet. Dazu erklärte Jiri Hlavka, dass sich dei Wasserqualität des Rheins seit 1995 verbessert habe und dass das Wasser grundsätzlich geeignet sei. Auf die Frage von SPD-Fraktionschef Daniel Rinkert sagte Hlavka, dass auch die beiden Sportplätze im Norden von Frimmersdorf für die beiden Garzweiler-Leitungen in Anspruch genommen werden müssen. Der städtische Beigeordnete Florian Herpel erklärte, dass man rathausintern eine Arbeitsgruppe bilden werde, da eine Reihe städtischer Flächen und Straßen vom Trassen-Projekt betroffen sind.
Die RWE-Vertreter erklärten zudem, dass die Röhren an den meisten Stellen wohl für immer im Boden bleiben werden. Tagebauplaner Hendrik Stemann sagte, dass nach Verfüllung der Gruben eine „Stützung“ vorgesehen ist, dass im Anschluss daran aber keine menschlichen Eingriffe mehr in Bezug auf die Befüllung der Seen vorgenommen werden müssen.
Info Tagebau-Gruben werden geflutet
Füllvolumen Garzweiler zwei Milliarden Kubikmeter; Hambach 4,3 Milliarden Kubikmeter
Tiefe Garzweiler 190 Meter; Hambach 325 Meter
Wasserzufuhr Garzweiler bis zu 4,2 Kubikmeter pro Sekunde; Hambach bis zu 13,8 Kubikmeter pro Sekunde