In Neurath stapeln sich 2000 Röhren

(NGZ) In den vergangenen Monaten war es um das Mammutprojekt „Rheinwasser-Transportleitung“ ruhig geworden. Nun aber geht’s los: Diesen Mittwoch fällt gewissermaßen der Startschuss – nicht für die Bauarbeiten direkt, aber für die Vorbereitungen dazu. Und zwar am Rheinufer bei Dormagen. Experten sollen den Grund des Bodens an der Stelle, an der das Pump-Bauwerk für die Wasser-Entnahme gebaut werden soll, auf mögliche Munitionsreste aus dem Zweiten Weltkrieg untersuchen – im Auftrag von RWE.

Es wird allerdings noch etwas dauern, bis bei Dormagen-Rheinfeld die ersten Röhren der Mega-Pipeline in den Boden gebracht werden.

Was das für Teile sind, durch die demnächst mehrere Milliarden Kubikmeter Flusswasser in Richtung der Tagebau-Gruben von Hambach und Garzweiler strömen sollen, wird in Neurath deutlich: RWE hat Teile des dortigen Kraftwerksgeländes zu einer riesigen Lagerstätte umfunktioniert. Dort stapeln sich die ersten 2000 Röhren. Ihr Durchmesser: jeweils 2,20 Meter. Ihre Länge: je zwölf Meter. Ihr Gewicht: rund 15 Tonnen pro Stück.

Neurath soll noch Platz für 1700 weitere Röhren bieten, dann sind die Kapazitäten vor Ort ausgeschöpft. Bis Ende dieses Jahres sollen nach RWE-Angaben 5500 Röhren geliefert werden. Die Pipeline-Elemente, die keinen Platz mehr am Kraftwerk finden, sollen auf dem Gelände des ehemaligen Tagebaus Fortuna bei Bergheim zwischengelagert werden. Insgesamt hat RWE 9120 Röhren beim türkischen Stahlproduzenten Tosyali geordert – ein Millionenauftrag, der auch in Branchenkreises für Schlagzeilen gesorgt hatte. In Deutschland soll sich kein Stahlproduzent dazu in der Lage gesehen haben, Röhren dieser Größenordnung in der Menge herzustellen.

Die Röhren, die seit Mitte November täglich auf speziell präparierten Eisenbahnwaggons in Neurath ankommen, haben einen weiten Weg hinter sich: Gefertigt werden die tonnenschweren Teile in der türkischen Provinz Osmaniye (nahe der Grenze zu Syrien) beziehungsweise in Algerien. Nach und nach werden die Pipeline-Elemente verschifft. Über den Seeweg geht’s für sie einmal um halb Europa und schließlich über Nordsee und Weser nach Brake bei Bremen. Dort wiederum werden sie auf die Schiene verfrachtet und mit Zügen des Unternehmens Rheincargo auf das RWE-Werksgelände gefahren, das über entsprechende Gleisanschlüsse verfügt. Dort angekommen, werden sie mithilfe spezieller Greifer, die so ähnlich auch in Container-Häfen zum Einsatz kommen, auf Position gehievt. Später sollen sie „auf Abruf“ zur Baustelle gefahren werden.

Wie das in Neurath logistisch funktioniert, hat sich der Grevenbroicher Bürgermeister Klaus Krützen jetzt bei einem Ortsbesuch von RWE-Projektleiter Karsten Waschke sowie von RWE-Power-Vorstandsmitglied Lars Kulik erklären lassen, allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Krützen bezeichnet die Rheinwasser-Transportleitung als „Schlüsselprojekt für den Strukturwandel im Rheinischen Revier“ und spricht von einer „großen Bedeutung auch für Grevenbroich“: Die Leitung „leistet künftig einen wichtigen Beitrag zur Schaffung dauerhaft stabiler Grundwasserverhältnisse nach Ende der Braunkohleförderung – und damit auch zur Renaturierung und nachhaltigen Entwicklung unserer Region.“

Wie RWE unserer Redaktion sagte, sollen die Arbeiten zum Bau der Transportleitung im zweiten Halbjahr 2025 beginnen, also in wenigen Monaten. Eine besondere Bedeutung bei dem Projekt kommt dem Dorf Grevenbroich-Allrath zu: Dort soll eine Station gebaut werden, die das Rheinwasser auf die beiden Tagebau-Gruben verteilt. Wie ein Konzernsprecher mitteilte, ist der Baustart am Ortsrand (nahe der Gleise zur Nord-Süd-Kohlebahn) für Anfang 2026 geplant.

Wie berichtet, sollen die Gruben von Hambach und Garzweiler über Jahrzehnte hinweg mit Wasser aus dem Rhein geflutet werden. Dafür ist der Bau der 45 Kilometer langen Pipeline nötig: drei Stränge (Durchmesser: jeweils 2,20 Meter) sollen vom Rhein bei Dormagen bis Allrath geführt werden.

Zwei Stränge sollen von dort aus gen Süden nach Hambach abzweigen, zwei Stränge mit kleinerem Durchmesser (je 1,40 Meter) sollen weitergeführt werden gen Westen bis ins Restloch von Garzweiler. Die Röhren werden verbuddelt, zumeist in offener Bauweise. Landwirte werden entschädigt. Später sollen bis zu 18 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch die Leitungen strömen.

Die Rheinwasser-Transportleitung kostet RWE einen dreistelligen Millionenbetrag. Ziel ist nicht bloß, die Tagebau-Gruben bis in die 2060er Jahre in möglicherweise touristisch attraktive Seen zu verwandeln: Weite Teile der Region hängen „am Tropf“. Es geht auch um den Grundwasserhaushalt, der durch die jahrzehntelange Braunkohleförderung auf lange Sicht beeinträchtigt ist. Auch Feuchtgebiete etwa im Raum Schwalm-Nette müssen versorgt werden, mutmaßlich auch der Neurather See.

Das Projekt Rheinwasser-Transportleitung ist allerdings nicht unumstritten. Umweltschützer sind skeptisch, befürchten Folgen für Natur und Umwelt durch das Rheinwasser, das allgemein hin mittlerweile zwar als sauber gilt, aber im Vergleich zum hiesigen Grundwasser auch von Experten als „verändert“ bezeichnet wird.Skeptisch zeigen sich viele auch mit Blick auf die Entnahmemenge: Manche zweifeln angesichts des Klimawandels und zunehmender Trockenperioden an, dass man dem Rhein überhaupt so viel Wasser entnehmen kann.

INFO

Leitung soll 2030 in Betrieb gehen

Logistik Für den Transport der Rheinwasser-Röhren innerhalb von Deutschland arbeitet RWE mit dem Kölner Unternehmen Rheincargo zusammen. Der Logistik-Dienstleister hat für den Transport 45 spezielle Güterwaggons angemietet, auf denen die Röhren fixiert werden können. Die Pipeline-Elemente werden von Brake (Unterweser) auf dem Schienenweg ins rund 350 Kilometer weiter südlich gelegene Rheinische Revier gefahren.

Bauarbeiten Die Arbeiten zum Bau der Rheinwasser-Transportleitung in der Region sollen im zweiten Halbjahr dieses Jahres beginnen. Das Wasser soll ab 2030 fließen. Die Befüllung der Tagebau-Gruben soll jeweils Jahrzehnte dauern.

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