Der Übertragungsnetzbetreiber Amprion steht mit der „Windader West“ vor einem Mammutprojekt: Das Unternehmen will Energie, die in Offshore-Windparks in der Nordsee erzeugt wird, nach NRW bringen. Dafür müssen dicke Stromkabel verlegt werden – von der niedersächsischen Küste zu sogenannten Netzverknüpfungspunkten bei Rommerskirchen und Oberzier (Kreis Düren). Nun ist klar, wo die Kabel in die Erde gebracht werden sollen. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat vor wenigen Tagen ihre „Raumverträglichkeitsprüfung“ abgeschlossen und damit den von Amprion bevorzugten Korridor bestätigt. Heißt für Grevenbroich: Sechs armdicke Erdkabel sollen von Norden aus kommend unter der A46 hindurch an Kapellen und Langwaden vorbei gen Süden Richtung Allrath geführt werden. Für den Verlauf gibt es nun das offizielle „Go“. Der Korridor, der nun genehmigt wurde, schlängelt sich in einer Breite von 670 Metern quer durch Niedersachsen und NRW – und damit auch durch Grevenbroich. Das bedeutet aber nicht, dass sich Amprion auf dieser Breite durch die Landschaft fräst und eine Art „Canyon“ entsteht. „Der Korridor gibt den Bereich vor, in dem nun der konkrete Trassenverlauf geplant wird“, sagt Linus Dahm, Projektsprecher für NRW bei Amprion. In den kommenden zwei bis drei Jahren, sagt er, soll die Feintrasse geplant werden – also der genaue Verlauf der sechs Kabel. Begleitet werden soll dieses sogenannte Planfeststellungsverfahren von Öffentlichkeitsveranstaltungen: Ähnlich wie es RWE bei der Rheinwasser-Transportleitung gemacht hat, will Amprion Anwohner „mitnehmen“ und rechtzeitig informieren. Eine Informationsveranstaltung hatte es 2024 beispielsweise schon in Kapellen gegeben. In den kommenden Jahren will das Unternehmen beispielsweise im Detail abfragen, wo andere Leitungen liegen, die der „Stromautobahn“ in die Quere kommen könnten. Die Rheinwasser-Transportleitung dürfte dabei zumindest bei Grevenbroich eine Rolle spielen. „Es geht darum, unangenehme Überraschungen zu vermeiden“, sagt Linus Dahm. So soll auch der Bereich bei Grevenbroich unter die Lupe genommen werden – der mögliche Trassenverlauf auf Hindernisse gecheckt werden. Zwischen Neurath und Rommerskirchen-Vanikum sollen sich die sechs Kabel aufteilen: Jeweils drei sollen zu den beiden Netzverknüpfungspunkten geleitet werden.
Die Kabel werden in weiten Teilen in offener Bauweise verlegt. Bedeutet: Es werden Gruben gebuddelt. Dafür ist ein Baustreifen nötig, der nur zehn Prozent so breit ist wie der nun beschlossene Korridor: 67 Meter. Dieser Baustreifen wird – und auch da gibt es Parallelen zur Rheinwasser-Transportleitung – über eine Baustraße verfügen. Verlegt werden sollen die Kabel, die von einer Kunststoffröhre umhüllt sind, in einer Tiefe zwischen 1,60 und 1,80 Metern. Das soll pro Kilometer zwischen drei und fünf Monaten dauern. In Betrieb genommen wer-
den sollen die Kabel zwischen den Jahren 2032 und 2036. Eigentümer und Pächter erhalten laut Amprion Entschädigungen – zum Beispiel für Nutzungseinschränkungen. Die Höhe der Entschädigung richtet sich auch nach dem jeweiligen Bodenwert.
Betroffen ist bei diesem großen Infrastrukturprojekt einmal mehr das kleine Dorf Allrath. RWE will dort bekanntlich ein Verteilbauwerk für die Rheinwasser-Transportleitung bauen, die neben dem Dorf verlaufen soll. Ganz in der Nähe verläuft auch der Korridor für die „Windader West“. „Bisher hat noch niemand von Amprion Kontakt zu uns aufgenommen“, sagt Cathrin Hassels von der Dorfgemeinschaft „Allrath aktiv“. „Wir würden gern wissen, was da genau geplant ist, und vielleicht auch mal eine Vorstellung davon bekommen, was da für Bauarbeiten vorgesehen sind“, sagt sie. Hassels hofft, dass Amprion seine Pläne ähnlich transparent macht wie RWE in puncto Rheinwasser-Pipeline. „Fragen von uns wurden zügig beantwortet, und wir hatten den Eindruck, ernst genommen zu werden“, sagt Hassels. Inzwischen erwarte man im Dorf mit einiger Neugier das „Sichtbarwerden“ der Pipeline. Zuletzt hatte die Dorfgemeinschaft erfahren, dass es Ende 2025 mit dem Bau des Verteilbauwerks losgehen könnte.
NFO
Strom von der Nordsee für NRW
„Windader West“ Diesen Namen tragen insgesamt vier Offshore-Netzanbindungssysteme, die in der Nordsee erzeugten Windstrom in das Übertra-
gungsnetz einspeisen sollen. Dafür werden dicke Kabel mit Gleichstromtechnik verlegt.
Übertragung Die Übertragungsleistung der Kabel gibt Amprion mit jeweils 2000 Megawatt an; in Summe soll dadurch der Bedarf von acht Millionen Menschen aus
Offshore-Windenergie gedeckt werden können.